Was ist eigentlich Meditation?

(von Matthias Govinda)

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Im Tantra verbindet sich unsere duale mit unserer nichtdualen Existenz. Was dual ist kennen wir - es bestimmt unseren Alltag, in dem wir uns in einer Welt bewegen, die sich aus Gegensätzen zusammensetzt. Dual eben und sich durch unseren Verstand erschliessend. Wer meint, Tantra liesse sich auf diesen Bereich reduzieren, kennt die nonduale Welt (noch) nicht. Die nonduale Welt erschliesst sich durch Meditation.

Kurz gesagt ist Meditation eine vorbereitende Übung auf einen Zustand, in dem der Verstand zu Ruhe gekommen ist. Zur Annäherung an einen ruhigen Verstand gibt es unterschiedliche Meditationstechniken. Das oftmals mit dem Begriff Meditation assoziierte stille Sitzen ist nur eine davon. Andere Techniken der Meditation können Tanzen, Kampfkünste, Gehen, Aktivitäten in Verbindung mit der Natur, Yoga, Musizieren, Malen und vieles mehr sein. Diese unterschiedlichen Disziplinen sind für sich noch keine Meditation, können aber -bewusst im Hinblick auf das Erleben von Stille eingesetzt- dabei unterstützen, den Verstand temporär schweigen zu lassen. Auch jede Form von Entschleunigung und damit verbunden einem bewussten Wahrnehmen einer Aktivität kann Meditation sein. Wenn du z.B. beim Essen deine komplette Aufmerksamkeit darauf richtest, was mit der Nahrung passiert, wenn sie in deinem Mund zerkleinert und dann auf den Weg in deinen Körper hinein geht, dann meditierst du. Du kannst also selbst beim Zähneputzen meditieren …

Kurz ein paar Worte zum Wesen unseres Verstandes, oft auch unser Geist genannt: Aktivitäten des Verstandes zeigen sich durch Gedanken und Bilder. Der Verstand ist wichtig. Denn er gibt dir Orientierung in der Welt des Dualismus. Ohne deinen Verstand kann sich das Wesen, das du als „ICH“ bezeichnest, nicht in der aus Gegensätzen bestehenden (dualen) Welt orientieren. Der Verstand tut sein Bestes, es dir im Leben so einfach wie möglich zu machen. Dabei reduziert er dich allerdings gleichzeitig auf Muster, die erfolgversprechend scheinen bzw. früher in deinem Leben einmal erfolgreiche Strategien waren. Mit dieser Vorgehensweise formt er deine Persönlichkeit und beschreibt dir eine Welt, von der er Dir immer wieder versichert, dass es nur DIESE Welt geben würde.

Der Verstand funktioniert ein wenig wie Google oder Facebook – je mehr Google oder Facebook über dich wissen, um so mehr schränken sie den Radius deiner Suchanfragen bzw. der dir/deinem Account zukommenden Informationen ein. Das Prinzip dahinter lautet, dass du eh nur das erfahren sollst/willst, was zu dir passt und was am besten dich selber immer wieder bestätigen wird. Es liegt in unserem Wesen, uns gerne immer wieder selber bestätigen zu lassen. Irgendwann in diesem Prozess befindest du dich in einer Blase. Google weiss was du klickst und gibt die die Antworten, die du lesen willst und die dein Weltbild bestätigen. Facebook weiss was dir „gefällt“ und präsentiert dir die dich bestätigenden Newsfeeds, Werbung und „Freunde“.

Um es noch einmal an einem einfachen Beispiel anschaulicher zu machen: Nehmen wir einmal an, jemand glaubt, dass die Welt eine Scheibe sei. Diese Meinung äusserst diese Person auf ihrem Facebookaccount und findet auch immer mehr „Freunde“, da sie beginnt mit anderen auszutauschen, die ähnlich denken wie sie. Irgendwann wird ihre Welt aus Menschen bestehen, die der festen Überzeugung sind, die Welt sei eine Scheibe. Und diese Meinung wird für sie zu etwas, dem sie den Namen „Realität“ gibt.

Dein Verstand funktioniert ähnlich. Er zeigt und beschreibt dir eine Welt, wie du sie sehen willst. In dieser Welt fühlst du dich sicher. Dein Verstand wird nie etwas anderes tun, als dir deine bekannten und eingeschliffenen Muster zu bestätigen. Alles andere würde ihn beunruhigen. Er würde dich sogar davor warnen, die dir bekannte Welt zu verlassen …

Dein Verstand wusste schon lange vor Google, Facebook oder Amazon, wie er dich mit Algorithmen berechenbar macht …

Meditation kann dich an die Schwelle eines Raumes führen, in dem der Verstand sich nicht zurechtfindet, da dieser Raum nicht durch den Verstand erfasst werden KANN. Deshalb lässt sich dieser Raum auch nicht durch Worte beschreiben, da Worte schon wieder Teil des verstandesmässigen Erfassens sind. Meditation bereitet dich vor – wenn du durch die Tür des Raumes schreitest, gibt es nur noch Spüren und Erfahren. Worte, Gedanken und Bilder existieren in diesem Raum nicht. Auch alle beschreibenden Worte des Erlebens bezogen auf diesen Raum sind nur Hinweise oder Umschreibungen.

Eine Möglichkeit dem Raum hinter der Türschwelle einen Namen zu geben ist, ihn als „Raum der Stille“ zu beschreiben. In Kontakt mit dem Raum der Stille zu gehen bedeutet Kontakt mit dem Leben aufzunehmen. Das wird deine Vorstellungen, die du bisher mit Begriffen wie „Leben“ oder „Freiheit“ verbunden hast, mit ziemlicher Sicherheit über den Haufen werfen. Das ist natürlich keine einmalige Sache, sondern erfordert eine gewisse Konstanz im Praktizieren.

Dabei wird sogar dein Verstand dankbar sein für jeden Moment, den du ihn hast ruhen lassen. Er ist zwar sehr pflichtbewusst, freut sich aber durchaus immer wieder mal, sich entspannen zu dürfen.

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